Die Schleifmaschine dröhnt über den hölzernen Fußboden, danach muss er noch geölt werden – bevor das Einräumen beginnen kann. Eine Plastikplane verdeckt die Zeittafel zur Klostergeschichte. Schließlich wirbeln Maschinen noch überall Staub auf. Zehn Tage vor der feierlichen Wiedereröffnung des Klosters Heidenheim ist der Endspurt im vollen Gange. Dekan Klaus Kuhn winkt ab: „Den Stress hatten wir in den vergangenen zwei Jahren.“ Der Rest sei überschaubar, so Kuhn, der auch Vorsitzender des Zweckverbandes Kloster Heidenheim ist.
Schon jetzt haben Zeichen und Hinweise auf die Klostertraditionen ihre Spuren hinterlassen. Zwei Stelen am Eingang mit den Klostergründern Walburga und Wunibald zeigen ihren Lebensweg auf – in stilisierter Prägnanz. Die Erläuterungstafeln kommen rechtzeitig, verspricht der 57-jährige Dekan.
Klosterstempel stehen ebenfalls in dieser zeichenhaften Tradition. Sie warten schon auf die Besucher und nehmen die Tradition der Pilgerstempel auf. Diese bieten eine Erinnerung an die Stationen des Pilgerweges. Schließlich liegt auch Heidenheim auf dem Jakobsweg, „auf dem auch Jan Hus nach Konstanz unterwegs war“, so Kuhn.
Die Stempelabdrücke geben Impulse für den Rundgang im Kloster. Verschiedene Stationen führen sie weiter. Es gibt aber auch Stempel, hinter deren Zeichen sich biblische Sprüche verbergen (oben rechts). Welcher Vers verbirgt sich dahinter?
„In allen Weltreligionen ist Pilgern wichtig“, ergänzt Kuhn. So lag die Idee eines eigenen Ökumene-Raums im Museum nahe. Objekte aus verschiedenen Religionen vom siebenarmigen Leuchter bis hin zum Playmo-Luther und die älteste Heidenheimer Bibel zeigen Glauben zum Anfassen. Spiegel weiten den Blick in die Unendlichkeit.
Zuvor konnten die Besucher schon Zitate von Glaubenslehrern an Rundhölzern den jeweiligen Quellen zuordnen. Glücklich, wer da bibelfest ist: Das hilft beim Zusammenfügen unbekannterer Zitate zu ihrer Quelle, verrät Kuhn.
Schon diese Elemente lassen sich museumspädagogisch weiter ausbauen. Denn ein Schullandheim liegt gleich in der Nähe. Zunächst stehen aber noch weitere Projekte an: Das alte Kloster soll zu einer neuen Bildungsstätte werden. Zunächst sind die Seminare noch eintägig, doch da wird die Entwicklung schnell vorangehen. Die erste Tagung im April sei bereits ausgebucht. Der ehemalige Regionalbischof Christian Schmidt wird über christliche Spiritualität nachdenken. „Die erste Anmeldung kam aus Zürich“, so Kuhn stolz.
Die Klosterschänke nebenan ist seit Januar geöffnet. Sie bietet nun auch 27 Betten und Verpflegung an, so dass bald mehrtägige Seminare starten können. Privatleute aus Heidenheim stellen Pilgerbetten bereit. So stärkt das Kloster die Infrastruktur vor Ort über die Bauphase hinaus. Sechs der acht örtlichen Betriebe waren am Umbau beteiligt.
Ein Bürgerentscheid der Klosterumbau-Gegner richtete sich 2015 gegen den Umbau. Allein für den aktuellen ersten Bauabschnitt betragen die Kosten 5,4 Millionen Euro. Doch er scheiterte. Nun sollen alle mit ins Boot. Das Kloster will eine Stütze für die strukturschwache Region sein, nachdem auch noch die Hahnenkamm-Kaserne ihre Pforten geschlossen hatte. Investitionen des Freistaates und Fördergelder der Kirche schoben die Entwicklung an. 15 Stellen – vom Mini- bis zum Vollzeitjob – hat die Besinnung auf Wunibald und Walburga schon zur Eröffnung des Museums und der Tagungsstätte geschaffen.
Und die Stunden bis dahin lassen sich fast schon zählen: Am Samstag, 9. März, beginnt um 14 Uhr das Eröffnungswochenende mit einem Festgottesdienst im Münster. Regionalbischöfin Gisela Bornowski und Eichstätts katholischer Bischof Gregor Maria Hanke haben sich dazu angekündigt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann wird zum Festakt erwartet. Am 10. März öffnet das Kloster zwischen 10 und 17 Uhr seine Türen für alle Interessierten.
Seit 2003 liefen die Planungen: Natürlich ist es ein Wimpernschlag für die alten Steine. Schon im 8. Jahrhundert hatten die Geschwister Wunibald und Walburga von hier aus die Christianisierung in Franken vorangetrieben, so heißt es schon auf der Klosterseite im Internet. Und weiter: „Um 1200 wurde das Kloster von einer benediktinischen Reformwelle erfasst, um dann erneut bedeutende Impulse ins Umland zu senden.“ Nach der Reformation wandelten die Ansbacher Markgrafen die Klosterkirche zur evangelischen Pfarrkirche um. Die Klausurgebäude dienten als Amtsräume für Gericht und Finanzamt. Romanische, gotische und barocke Spuren überlagern sich: Welcher Zustand war besonders erhaltenswert?
Ein Abschnitt im alten Kreuzgang zeigt fast ungeschminkt alle Schichten: Die verschiedenen Mauerschichten machen den zukünftigen Besuchern begreiflich, was sich hinter den ansonsten weiß getünchten Wänden verbirgt. Auch diese Zeichen an der Wand will eine Informationstafel deuten.
Achtung, jetzt aber nicht mehr nach oben schauen, sondern auf die Füße achten! Mitten durch den Kreuzgang fließt ein kleiner Kanal. Er ist noch ohne Abdeckung, auch wenn er durch einen großen Schritt zu überwinden ist. Durch ihn kam seit alters her frisches Wasser vom „Heidenbrünnlein“ zum Taufbecken und in die Klosterküche. Er brachte auch Essen: Karpfen und andere Fische für die Fastenzeit. „Was schwimmt noch?“, fragt Klaus Kuhn. Natürlich Biber, die somit
als Fastenspeise den Flossentieren gleich gestellt waren. Aber auch Hasen! Ein wenig weiter oben warfen Mönche sie ins Wasser. Die Köche angelten sie wieder heraus und erkannten in ihnen Fische.
Ein Gitter soll da noch die Besucher vor Fehltritten schützen. Angedacht war auch eine Glasschei-be. Doch die Nässe von unten hätte sie dauernd beschlagen so – und dies Zeichen der Vergangenheit verschwimmen lassen.
Mehr Infos im Internet: www.kloster-heidenheim.eu.
Susanne Borée
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