Ist es zu wenig exotisch? Zu klein – mit nur etwa zwei Millionen Einwohnern? Oder einfach zu nah? Seltsam still scheint es um Slowenien zu sein. Doch richtet das Land am 1. März den Weltgebetstag der Frauen aus. Das Land wurde ausgesucht, weil es sich als junge Demokratie mit kommunistischem Erbe auf den Weg zu einer erfolgreicheren Zukunft gemacht hat. Es bildet zwischen Ost und West eine Brücke. Außerdem hat Corinna Harbig in ihrer Wahlheimat Slowenien seit Jahren eine intensive ökumenische Weltgebetstagsinitiative aufgebaut.
Die deutsche Pfarrerin lebt seit gut 20 Jahren in Slowenien. Lange betreute sie dort nebenberuflich die deutschsprachige evangelische Auslandsgemeinde. Bis 2017 stand sie als Präsidentin dem Exekutivbüro des Weltgebetstagskomitees vor (Wir berichteten von einem Treffen mit ihr zur „Stabsübergabe“ an Slowenien zum 4. und 11. März 2018).
Auch politische Entwicklungen in diesem Land erscheinen hierzulande kaum in den Nachrichten. Das spräche an sich für Stabilität. Doch war die Situation nach Wahlen im Juni 2018 durchaus spannend. Da lag die rechtskonservative SDS-Partei mit 25 der 90 Parlamentssitze vorn.
Deren Parteichef Janez Janša war bereits von 2004 bis 2008 und 2012 bis 2013 Ministerpräsident Sloweniens. Er versprach Wirtschaftsreformen. Und das kleine Land von Flüchtlingen abzuriegeln. Denn er sieht Ungarns Politik unter Viktor Orbán als Vorbild an. Schließlich waren um 2015 um die 200.000 Flüchtlinge auch durch Slowenien Richtung Nordwesten gezogen. Das Land hat bislang offenbar nur 150 aufgenommen. Janša soll bereits bei einem Rüstungsgeschäft 2006 Schmiergeld genommen haben. Dafür war er 2013 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Verfassungsgericht hob das Urteil später auf. Allerdings weigerten sich im Sommer 2018 die weiteren Parteien im Parlament, mit ihm zusammenzuarbeiten. Monatelang gab es turbulente Verhandlungen.
Sehr geordnet erscheint das Titelbild zum Weltgebetstag 2019 (oben). Es hat allerdings auch seine Sprengkraft. Damit verbindet die slowenische Künstlerin Rezka Arnuš die Losung „Kommt, alles ist bereit“ vom Gleichnis des Festmahls (Lukas 14,13–24) mit der Situation in ihrer Heimat, erklärte das Frauenwerk Stein. Es bereitet den Tag für Deutschland auf. Und weiter: Die Trauben symbolisieren verschiede- ne slowenische Weinbaugebiete. Gleichzeitig weisen sie auf das Problem des Alkoholismus im Land. Das sieht auch Corinna Harbig als strukturelles Problem vor Ort.
Auf dem Tisch liegt ein Stück Kuchen – das Nationalgericht Potica. Das Lebkuchenherz soll auf den einheimischen Honig hinweisen. Gut, dass es da diese Hinweise gibt. Die Symbole erschließen sich nicht von selbst. Das Bild zeigt neben schemenhaften Frauen in traditioneller Tracht auch behinderte Menschen – ein blindes Mädchen, einen tauben Jungen und ein spastisch gelähmtes Mädchen. Arnuš kann selbst nur noch fünf Prozent sehen.
Die Minderheiten, gerade Kroaten und Ungarn, aber auch sozial schwache Menschen gelten als Verlierer der Staatswerdung. Dabei ist das Land in der Bevölkerungszahl und der Fläche ähnlich groß wie Sachsen-Anhalt. Es konnte sich aus den Bürgerkriegen Ex-Jogoslawiens der 1990er Jahre heraushalten. Es schwelt jedoch ein Grenzstreit mit Kroatien vor allem um die lukrative Adriaküste.
Slowenien trat 2004 der EU bei und hat seit 2007 den Euro. Die Wirtschaftskrise 2008 traf gerade ältere und wenig bewegliche Menschen: Sie konnten mit dem Wandel der 1990er Jahre kaum Schritt halten. Die Lebenshaltungskosten sind ähnlich wie in Deutschland, Mieten in den Städten steigen ständig, die Löhne sind aber deutlich geringer. Die Hauptstadt Ljubljana ist schick herausgeputzt, doch auf dem Land wird es schnell grauer.
Besonders die kleine Evangelische Kirche A. B. in Slowenien leistet kräftig diakonische Arbeit – obwohl ihr gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung angehören. „Wir sind eine historische Kraft“, so Bischof Geza Filo. Der Reformator Primus Truber gilt im Land als Vater der slowenischen Sprache und Identität. So ist der Reformationstag trotz der wenigen Protestanten ein Nationalfeiertag. Nachdem er seine Heimat verlassen musste, fand Truber den Weg nach Rothenburg ob der Tauber und schließlich nach Tübingen.
Im armen Osten Sloweniens, dem Gebiet östlich des Flusses Mur, ist die Lutherische Kirche sehr verwurzelt. In den ehemaligen ungarischen Gebieten dort konnte sie die Verfolgungszeit der Gegenreformation überdauern. Heute herrscht im „Übermurgebiet“ im Osten überdurchschnittlich Armut und Arbeitslosigkeit, Landflucht und Überalterung. Dort verteilen ehrenamtliche Helfer Essen auf Rädern an ältere Menschen. Und sie verleihen Pflegebetten. Denn ein Platz in einem Pflegeheim ist in Slowenien unbezahlbar. „Podpornica“, auf Deutsch „Unterstützung“ schlägt die Brücke gen Osten. So heißt die Diakonie vor Ort, die Geza Filo vor seiner Bischofswahl lange leitetet.
So stellte das Gustav-Adolf-Werk 2018 Slowenien und den Kosovo in den Mittelpunkt. Allein schon der Weltgebetstag brachte dem Land ökumenische Aufmerksamkeit – obwohl die Kollekte nach Indien fließt.
Während weltweit im vergangenen Herbst Frauenkreise ihre Arbeit zum Weltgebetstagsland Slowenien aufnahmen, bemühte sich ein ehemaliger Komiker darum, die politische Krise nach dem Patt der Wahl zu lösen. Der linksliberale 40-jährige Marjan Šarec – ein ehemaliger Bürgermeister und Komiker – leitet die LMS-Partei, die mit 13 Sitzen den zweiten Platz erhalten hatte. Er brachte ein Bündnis aus fünf Parteien zusammen. Sie kommen auf 43 der 90 Sitze im Parlament. Die Linkspartei, nicht im Bündnis vertreten, stützt mit ihren neun Sitzen die Regierung. Am 13. September 2018 bestätigten mit 45 Stimmen genau die Hälfte der slowenischen Abgeordneten bei neun Enthaltungen seine Minderheitsregierung. Bis jetzt scheint dieses labile Parteienbündnis zu halten. Auch hier fällt auf, wie mühsam es ist, von Deutschland aus mehr über Slowenien zu erfahren.
Pfarrerin Simona Prosic Filip leitet neben ihrer Gemeinde im Übermurgebiet auch die Frauenarbeit der evangelischen Kirche Sloweniens. Sie hat vielerorts Frauenkreise aufgebaut. Dazu gehörten auch viele ex-jugoslawische Gastarbeiterinnen. Auch Filip ist in Ludwigsburg geboren. Kein Einzelfall. 2017 gaben rund zwölf Prozent der Slowenen an, woanders das Licht der Welt erblickt zu haben. Die Pfarrerin bietet ferner Wochenendseminare an, damit die Frauen sich in Ruhe austauschen können. Gerade auf dem Land mit ausbaufähigen Wegen herrsche da riesiger Bedarf. Sloweninnen luden 2017 Frauen aus Kroatien und Serbien ein. Die Folgen der Kriege mit ihren Vorurteilen zwischen den Bevölkerungsgruppen kamen zur Sprache. Da ließen sich neue Wege finden.
Susanne Borée
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