Per Rechner das Leben neu ausrichten?

Joachim Buse
Joachim Buse. Foto: © Hauke Gilbert, Gilbert Studios, Jesteburg

Zum Valentinstag: Können Partnerbörsen online den Weg zum Glück entdecken?

Neun Tage genügten, dann hatte er seine Traumfrau kennen gelernt. Und dies noch nicht einmal persönlich, sondern online. Joachim Buse hat sich im Alter von 59 Jahren neu und gleich erfolgreich auf die Suche begeben. Und dies, obwohl er zuvor noch nie online gesucht hatte. Die Traumfrau wohnte auch noch ganz in seiner Nähe.

Ein Einzelfall? Zum Valentinstag am 14. Februar lohnt es sich nachzuforschen. Immer mehr Menschen in der zweiten Lebenshälfte setzen aufs Internet. Da soll eine Nachfrage bei Parship, der nach eigenen Anspruch größten Internet-Partnervermittlung helfen. „38 Prozent unserer Premium-Mitglieder haben während ihrer Mitgliedschaft bei Parship einen Partner gefunden“, antwortet Senior-PR-Managerin Jana Bogatz. Wie kommt sie zu diesen Zahlen? „Basis der Berechnung ist die Par­ship Mitgliederbefragung nach Ende der Premium-Mitgliedschaft, die wir allen Mitgliedern, deren Vertrag ausläuft, zuschicken.“ Diese Zahl habe sich über die Jahre „als eine sehr stabile Größe herausgestellt“, obwohl nicht alle antworten. Bezugsgröße ist da die Zahl der Abmeldungen, nicht der Anmeldungen.

Doch es kann schnell geschehen, sein Herz zu verlieren. Das erfuhr Joachim Buse. Von der Begeisterung ihres verwitweten Freundes ließ sich auch Gundula Göbel anstecken. Ihr Mann kennt ihn quasi aus dem Kindergarten. Wären seine Erlebnisse nicht auch für viele interessant? Also „eher ein Mutmach-Buch, kein Werbebuch“, betont die Psychotherapeutin. Sie ergänzte die Erlebnisse aus ihrer psychologischen Perspektive: „Hast du dein Ziel klar vor Augen?“ So spricht sie die Leser direkt an. Welche Motive hat er oder sie für die Partnersuche? Wollen sie der Einsamkeit entfliehen oder Verantwortung übernehmen? Solch eine Klärung ist oft nicht so einfach wie gedacht. Bevor sich die Suchenden durch die höhere Gewalt einer Maschine einen Weg bereiten lassen, ist eher Charakter als Herz gefragt.

Wer gerät beim eigenen Profil nicht mal in Versuchung, dies ein wenig zu schönen? Doch dann führt der Algorithmus zwei Profile zusammen, die möglichst viele Übereinstimmungen zeigen. Wenn sie geschönt waren, kann er auch nichts dafür, dass wenig passt.

Jana Bogatz bestätigt da Gundula Göbel: „Auf der Suche nach dem Partner fürs Leben ist es wichtig, sich zunächst selbst kennenzulernen und ein klares Bild zu entwickeln, wie jeder Einzelne individuell als Partner ist.“ Reicht für eine Antwort eine Zeitspanne von 20 Minuten aus? Das ist wohl nur ohne langes Überlegen zu schaffen. Kann da eine höhere, aber automatisierte Gewalt, unserem Leben eine neue Richtung geben?

Die Kriterien Raucher, Entfernung zum Wohnort, Größe, Alter, bieten erste Anhaltspunkte für den Filter, erklärt Jana Bogatz. Doch sollten sich die Suchenden vorher fragen, wie weit ihre Toleranz etwa gegenüber Haustieren reicht. Bin ich wirklich bereit, zu einem Treffen weit zu fahren – auch wenn dies meine Auswahl vergrößert?

Unheimliche Auswahl

Das ist längst nicht alles: „Um sozial erwünschte Antworten und eine subjektive, ungenaue Selbsteinschätzung der Singles zu umgehen, werden dabei indirekte Fragetechniken eingesetzt“, erklärt die Par­ship-Expertin weiter. „Anhand der individuellen Antworten werden dann die Persönlichkeitsmerkmale, Charakterzüge, Einstellungen, Lebensgewohnheiten und Interessen ... zusammengefasst – ein objektives, wissenschaftlich fundiertes Profil, das sich vom Selbstbild jedes Einzelnen durchaus unterscheiden kann.“ Das Verfahren arbeite nach 136 Regeln, um ein „Profil der Partnerschaftspersönlichkeit“ zu erstellen, so Bogatz. Es werde mit vielen anderen Nutzern abgeglichen.

Auch das eigene Foto ist alles andere als unwichtig: Es ist zwar beim ersten Kontaktvorschlag noch verschleiert, doch gewinnt damit der Suchende für sein Gegenüber ein Gesicht auf Anfrage. Vor schnellen Schnappschüssen in der Küche oder gar im Bad warnen Buse und Göbel. Professionell gemacht wirkt es eher – sollte aber auch nicht historischen Wert besitzen. Joachim Buse beschreibt eindringlich in dem Buch, wie er wochenlang vor seinem Fototermin intensiv Radsport betrieb, um sportlicher zu erscheinen.

Die beiden Autoren warnen sowieso vor „Selbstdemontage“ der Suchenden: Freunde oder die eigene Einsamkeit sagen, man sollte suchen ... aber das Herz kann nicht. Oder das eigene Selbstbewusstsein macht nicht mit. Es gibt widersprechende oder abtörnende Aussagen. Da hilft auch keine Maschine.
Joachim Buse ist offenbar in dem Buch sehr überlegt vorgegangen. War die Psychotherapeutin mit am Werk? Sie verneint in einem ergänzenden Gespräch gegenüber dem Sonntagsblatt energisch: „Ich wusste nicht mal, dass er sich da anmeldet.“ Allerdings hatten Bekannte Buse schon im Vorfeld auf die Fragen vorbereitet. „Alles, was ich selbst steuern kann, mache ich“, erklärt er im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Schließlich sei er Betriebswissenschaftler.

Dennoch ist es auch für ihn erstaunlich, „was Maschinen leisten können“. Sein Charakterprofil war eine „Punktlandung“. Schließlich kennt er aus seiner beruflichen Laufbahn auch solche Persönlichkeitstests. Eine Partnerschaftsbörse sei natürlich ein „Massenmarkt“. Und weiter: „Als Individuum kann da nur bestehen“, wer sich profiliert. Wer schon bei seinen Antworten eigene Akzente setze, aber auch nicht zu eng sei.

Kaum ist das eigene Profil hoch geladen, schon hat der Algorithmus passende Kombinationen herausgefiltert. Die können durchaus in Hundertschaften auftreten. Wichtig ist es, sich da nicht gehetzt zu fühlen. Größere Vermittlungsbörsen wie Parship.de haben da natürlich mehr Auswahl. Auch für spezielle Zielgruppen gibt es kleinere Angebote: etwa für große oder mollige Menschen. Auch Christen können gezielt nach Gleichgesinnten suchen. Im vergangenen Jahr stellten wir auch himmlisch-plaudern.de vor. Allerdings lassen nicht alle einen Algorithmus arbeiten. Das sind dann Singlebörsen. Auf jeden Fall ist nach der Arbeit des Algorithmus persönliche Aufmerksamkeit gefragt.

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