Welche Ausblicke bietet die Erneuerung?

''Katharina''. Foto: Borée
''Katharina''. Foto: Borée

Rückblicke und Einsichten vom 500. Reformationsjubiläum in Bayern

Was bleibt? Das Reformationsjubiläum als Schlussakkord der Reformationsdekade ist nun bekanntlich ein gutes Jahr vorbei. Große Ereignisse bleiben in Erinnerung wie das ''Bayerische Reformationsfest'' Anfang Juli 2017 in Nürnberg, das Augsburger ''Fest der Freiheit'', die Schau ''Luther, Kolumbus und die Folgen'' im Nürnberger Germanischen Nationalmuseum, die geballte Kraft des Finales am 31. Oktober 2017 oder die Coburger Landesausstellung ''Ritter, Bauern, Lutheraner''. Auch das Sonntagsblatt berichtete regelmäßig davon.

Anders als die vorhergehenden Erinnerungsfeste war „2017“ ausdrücklich ökumenisch geprägt. Zum Jahreswechsel haben die Koordinatoren aus Bayern nun ihr Abschlussresümee „Weitergehen. Einsichten und Anregungen aus der Reformationsdekade“ vorgelegt.

Das 500-jährige Reformationsjubiläum war also keine heroische Jubelfeier, sondern ein Meilenstein für den Dialog. Darunter fiel der zentrale ökumenische „Healing-of-Memories“-Gottesdienst im März 2017 mit Kardinal Reinhard Marx und Heinrich Bedford-Strohm. Er sollte getrennte Erinnerungen heilen. Dieser erhielt weniger Breitenwirkung als er es verdiente. Dies Los teilte er mit dem Auftakt am 31. Oktober 2016 im schwedischen Lund, bei dem sich Papst Franziskus mit dem Lutherischen Weltbund traf.

Dagegen berichtet der Kemptener Dekan Jörg Dittmar von der Organisation der ökumenischen Menschenkette zwischen der evangelischen St.-Mang-Kirche in der Altstadt und der katholischen Basilika in der Stiftsstadt. Mehr als tausend Menschen sollten sich da aufeinander zu bewegen. Der Dekan ­berichtet intensiv von „Gänsehaut-Momenten“: Kommen genug? Hält das Wetter? Wie löst sich eine solche Menschenmenge wieder auf? All dies war alles andere als eine Routine-Veranstaltung.

Es gab aber auch Dialoge mit kleineren Gruppen wie Mennoniten oder Täufern. Lutheraner und Reformierte beteiligten sich an ihrer Verfolgung. Daran erinnert Wolfgang Krauß, mennonitischer Pastor in Augsburg: Sowohl Ulrich Zwingli als auch Philipp Melanchthon äußerten ausdrücklich Zustimmung, als der Täufer Felix Mantz im Januar 1527 ertränkt wurde: Schließlich waren die Täufer gegen die enge Verschränkung von Staat und Kirche, die herrschenden Besitzverhältnisse und die Kindertaufe. Auch das Augsburger Bekenntnis von 1530 verurteilten sie. Sicher war die Wiedertäufer-Herrschaft im westfälischen Münster auch alles andere als friedlich. Das wird nicht thematisiert – aber spielt wohl für den Dialog in Bayern eher eine untergeordnete Rolle. Ab 2020 sind fünf Themenjahre zum 500-jährigen Bestehen der Täuferbewegung geplant. Mal sehen, wie diese aufgestellt sind.

Breiteren Raum war jedoch in Bayern dem problematischen Verhältnis Luthers zu den Juden gewidmet. Hier arbeitet Axel Töllner seit Jahren als landeskirchlicher Beauftragter in Bayern für den christlich-jüdischen Dialog an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau. Kirchengeschichtler aus Erlangen, München und Neuendettelsau führten bereits 2014 eine gemeinsame Tagung dazu in Erlangen durch. Es gab bald eine enge Zusammenarbeit auch zu jüdischen Einrichtungen und auf internationaler Ebene. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland distanzierte sich 2015 von judenfeindlichen Äußerungen Luthers. Die bayerische Landeskirche war da bereits 1998 voran geschritten. 

„Im Ringen um die Frage, was bleibend wichtig ist an Luther und der Reformation“, so Töllner, „wurde erkennbar, wie wichtig judenfeindliche Vorstellungen für den Reformator und die Entwicklung seiner Theologie insgesamt sind.“ Könnte die Kirche bei einer Distanzierung davon „wichtige Einsichten der Reformation preisgeben, etwa zur Rechtfertigunglehre und zur Bedeutung Jesu Christi“?

Oder eröffnet ein Nachdenken darüber neue Perspektiven? Die Ende 2016 veröffentlichte revidierte Lutherbibel „hat an einigen Stellen Einsichten aus dem christlich-jüdischen Dialog verarbeitet“, so Töllner. Leider scheinen mir diese Impulse wenig Breitenwirkung vor Ort erlangt zu haben. Bei meinen Recherchen zu einem Artikel dazu im September 2017 ließ sich dies nicht übersehen.

Nur der Playmobil-Luther bildete eine Ausnahme. Er hielt zuerst eine Bibel mit der Aufschrift „Bücher des Alten Testaments/ENDE“ und dem Beginn des Neuen Testaments. Konnte dies so verstanden werden, als sei das Alte Testament überholt? Zum Glück war er so nachgefragt, dass bei einer Neuauflage diese Inschrift entfallen konnte.

Daneben erlangte sicher das Reformationsjubiläum als Kulturereignis große Wirkung: Ausstellungen, Chorprojekte und Theateraufführungen zum Thema „Reformation“ blieben zweifellos nicht auf die großen Zentren Coburg, Nürnberg oder Augsburg beschränkt. Sie erreichten unzählige Gemeinden vor Ort.

Auch die Frauen um Luther erfuhren ganz neue Wertschätzung. Da setzte allein schon der „Katharina von Bora“-Film im Februar 2017 Akzente. Viele Stadtführerinnen im Katharinen-Gewand zeigten auch noch kleinste Reformationsorte. Ihre Gewandung bleibt wohl ähnlich wie der Playmo-Luther im visuellen Gedächtnis haften. Ansonsten blieb die Frauen-Seite etwas verschwommen – abgesehen von der guten Argula von Grumbach. Aber ihre Person erscheint auf Dauer ähnlich spannend wie der Name.

Was hat diese Reformation mit mir zu tun? Das fragte sich die Evangelische Jugend in Bayern. Sie sammelte 284 Antworten, aus denen sie per Abstimmung 95 neue Thesen schuf. Manches Nachdenkenswerte ist darunter. Doch auch jetzt erscheint noch nicht endgültig deutlich, wie die Kirche damit umgehen will oder kann – abgesehen davon, sie an Luftballons anzuhängen und dem Wind anzuvertrauen.

Viel mehr noch lässt sich entdecken bei der Auswertung. Manche Einsichten blieben im Tagesgeschäft leise. Und der Ertrag? Kirche in der Öffentlichkeit neues Gehör zu geben, Netzwerke auszubauen und das eigene Profil zu schärfen – das bleibt sicherlich. Dieter Stößlein stellt am Ende die Auswertung vor. Die Befragten, die oft an Projekten intensiv beteiligt waren, äußerten sich dazu positiv. Doch 1517 war kein Schluss, sondern ein Anfang. Es stehen noch viele reformatorische Jubiläen, aber auch Denk-Anstöße wie etwa der Bauernkrieg 1525 im Raum. Hoffen wir, dass viel die nächsten Jahrzehnte bleibt. Eines der schlechtesten Jubiläen war 2017 sicher nicht – trotz mancher Anmerkungen. 

Christian Düfel, Maria Stettner, Dieter Stößlein (Hg.): Weitergehen. Einsichten und Anregungen aus der Reformationsdekade, Leipzig 2018, ISBN 978-3-374-05994-2, 256, S. 20 Euro.

               Susanne Borée